Die Maßstäbe sind verschoben, sie waren bei Nina Ahlers schon immer ein Aspekt ihrer Arbeit. Ihre Objekte sind genauso klein oder groß wie sie sein müssen, von der Wirklichkeit weichen sie meist ab. Nina Ahlers ist Bildhauerin, in ihrem Werk gegenständlich, sie arbeitet vor allem mit Keramik, in die klare Farbflächen eingesetzt sind. Die Oberflächen differieren zwischen Glanz und Mattheit. Die Gegenstände selbst sind in der Mehrzahl profan; sie entstammen der genauen, oft tagtäglichen Beobachtung, welche augenblicklich Inhalt und Form, Status und plastische Befähigung bedenkt. Nina Ahlers arbeitet die Grundformen heraus und nimmt sich diese mitunter über Jahre hinweg vor. So entstehen Variationen, die vor allem die Farbgebung und die Oberflächenbehandlung betreffen. Im Atelier in Bilk hängen auf einer schwarz gestrichenen Wand eigentlich ganz unterschiedliche Objekte: Trillerpfeifen, Augäpfel mit ausgesparter Pupille, Spiegeleier, Pillen sowie Hemdkrägen. Sie erheben sich als Relief leicht von der Wand und entwickeln in ihrem Zueinander eine fließende Bewegung. Eine solche Wand ist derzeit, parallel zur Bergischen Kunstausstellung in Solingen, in der Städtischen Galerie Remscheid zu sehen, dort unter anderem mit schwarzen Schlangen, die sich wie Rocaillen winden. Sie betonen die Rolle von Ornament und Muster, die überhaupt wesentlich für Ahlers' Werk ist.
Nina Ahlers wurde 1958 in Bremen geboren. Sie findet bereits während ihres Studiums bei Fritz Schwegler an der Düsseldorfer Akademie zu ihrem Kanon mit den Maßnahmen der Verdichtung und Abstraktion. Dass sie wenig später, 1992 mit Elke Denda in der Münchner Galerie von Rüdiger Schöttle und mit Marimo Dewes 1997 im Schloss Ringenberg ausgestellt hat, machte Sinn. Es unterstrich die verwandten Interessen in Bezug auf Muster zumal bei stereometrischen Körpern (Denda) und die Stiftung von organischen Bewegungsabläufen (Dewes). Aber waren da noch ihre Objekte, die anfänglich mit Gießharz und Polyester und dann Zellan entstanden, mit bis zu etwa 2 m Höhe extrem hochgezogen, so kennzeichnet sie heute meist etwas "Handliches". Man möchte sie ergreifen. Indes halten das Glatte, die Reflektion, die perfekte Form und Farbgliederung auf Abstand. Die Hemdkrägen aus Porzellan sind immer weiß, aber in ihrer kräuselnden, wie eingefrorenen Präsenz tatsächlich sehr unterschiedlich, individuell. Sie wölben sich nach vorne, knicken ab, umreißen den leeren Innenraum und repräsentieren einen Menschen, vorstellbar ist eine fast demütige Haltung. Diese Sphäre des Gutbürgerlichen schwingt im Grunde auch bei den gelängten, hälftig monochromen Pillen mit. Und die Kugeln auf dem Boden wirken wie überdimensionierte Murmeln mit geometrischen Flächen: zweckfrei,
verspielt und streng. Auf andere Weise verblüffen
die Spiegeleier, die mit ihrer Korona aus Eiweiß
per se verschiedene Konsistenzen von Festigkeit
an sprechen. Das erste Spiegelei ist übrigens
Mitte der 1990er Jahre entstanden, da noch riesig
und rechteckig mit einem erhabenen gelben Innenfeld
im weißen Umraum. Natürlich impliziert
dies Aspekte von Farbfeldmalerei, bleibt aber
doch mimetisch bezogen. Nina Ahlers hat sich in
Bezug auf diese Ambivalenz noch weiteren Sujets
zugewandt, etwa Türen oder Matratzen, welche,
1 : 1 beschichtet mit Zellan, in farbige Streifen
gegliedert sind. Eine Rauminstallation umfasste
eine solche blau gestreifte Matratze und etliche
Objekte an der Wand und auf dem Boden,
dazu einen Stuhl, Fotos, durch eine rote Kordel
wie ein historischer Raum separiert. Ausgestellt
2005 im Laden 44 von Andrea Zeitler, brachte
das Ensemble auf den Punkt, wie sehr diese
Arbeiten schließlich die vertraute häusliche Welt
hinterfragen. Mit einem Mal ist alles unsicher,
rumorend in der Abweichung und ihrer potentiellen
Geschichte. Und dann sind diese Dinge
wieder nichts außer sich, völlig unspektakulär,
sachlich-neutral und still.
Thomas Hirsch in
"Biograph - Künstler in Düsseldorf"
August 2010